Fiktionen in der belgischen Erbschaftssteuer

In der belgischen Erbschaftssteuer gibt es zahlreiche 'Fiktionen'. Dabei handelt es sich um gesetzliche Regeln, die bestimmen, dass ein Rechtsgeschäft unter lebenden Personen wie eine Übertragung nach dem Tod behandelt werden muss. Bestimmte Vermögensbestandteile gehören (fiktiv) zum Nachlass, auch wenn sie eigentlich vor dem Tod des Erblassers an die Erben übergegangen sind. Dadurch muss auf einen höheren Betrag Erbschaftssteuer bezahlt werden. Wir erläutern einige dieser Fiktionen etwas näher.

Auf der Grundlage dieser Fiktionen werden Vermögensgegenstände, die nicht mehr zum Vermögen des Erblassers gehören (z. B. weil er sie schon während seines Lebens verschenkt hat), vom Finanzamt dennoch zum Nachlass gezählt, sodass darauf trotzdem Erbschaftssteuern bezahlt werden müssen. Diese Regeln wirken sich lediglich steuerrechtlich aus. Das bedeutet, dass diese Vermögensgegenstände bürgerrechtlich keinen Teil des Nachlasses ausmachen, weil sie bereits zum Vermögen des Begünstigten gehören (der Person, die sie schon während des Lebens vom Verstorbenen erhalten hat).

Eigentlich sind diese Fiktionen besondere Antimissbrauchsbestimmungen, mit denen 'verdächtige' Rechtsgeschäfte bekämpft werden. Jemand könnte schließlich seinen Nachlass verkleinern, indem er Güter verschenkt, ohne dass darauf irgendeine Form von Steuern bezahlt wird (Eintragungsgebühren oder Erbschaftssteuern). Solche Handlungen sind natürlich besonders verdächtig, wenn sie kurz vor dem Tod stattfinden. Dann scheint es deutlich zu sein, dass es nur darum ging, den Vermögensgegenstand erbschaftssteuerfrei dem späteren Erben zu überlassen.

Ein Schuldanerkenntnis in einem Testament

Ein Schuldanerkenntnis, das ausschließlich im letzten Willen (in einem Testament) erfolgt, wird als Legat angesehen. Damit will der Gesetzgeber vermeiden, dass ein Erblasser in seinem Testament zum ersten Mal Schulden gegenüber (einigen von) seinen Erben einräumen würde. Oft ist in Wirklichkeit nämlich von Schulden keine Rede, sondern der Erblasser will einfach einen Teil seines Vermögens seinen Erben steuerfrei überlassen. Auf die Rückzahlung von Privatschulden sind schließlich keine Steuern zu zahlen. Sogar wenn der Verstorbene tatsächlich bei einem seiner Erben Schulden hat, wird ein letztes Schuldanerkenntnis steuerlich mit einem Legat gleichgesetzt. Bürgerrechtlich behalten die Schulden allerdings ihren Charakter als Schulden. Wenn der Erbe beweisen kann, dass es einen anderen Grund (z. B. einen Vertrag) gibt, aus denen die Schulden hervorgehen, wird diese Bestimmung nicht angewandt.

Beispiel
Marc leiht von seinem Freund Johan 20.000 EUR. Kurz bevor er stirbt, setzt er ein Testament auf, in welchem er diese Schulden anerkennt. Wenn es keinen früheren schriftlichen Vertrag gibt, werden die 20.000 EUR als Legat betrachtet. Johan wird darauf also Erbschaftssteuern zahlen müssen. Hätten Marc und Johan beim Abschluss des Darlehens alles korrekt auf Papier gesetzt, kann der Darlehensvertrag als Gegenbeweis gelten. Die Schulden werden schließlich nicht mehr 'nur' durch den letzten Willen anerkannt, sondern auch in einem zwischen lebenden Personen aufgesetztem Papier (dem Vertrag) bestätigt. Die Fiktion gilt nicht mehr und die Schulden bleiben Schulden, die sogar vom Nachlass abgesetzt werden können.

Ungleiche Verteilung der Gütergemeinschaft

Ehegatten können in ihrem Ehevertrag die Verteilung ihrer Gütergemeinschaft ändern. Auf diese Weise können Ehegatten, die unter dem System der Gütergemeinschaft geheiratet haben, z. B. vereinbaren, dass die gesamte Gütergemeinschaft dem überlebenden Ehepartner zukommt. Das bringt mit sich mit, dass der überlebende Ehepartner bürgerrechtlich von seinem verstorbenen Partner nichts 'erbt', weil er bereits Eigentümer des gesamten Vermögens ist.

Das Finanzamt sieht das jedoch nicht gerne. Deshalb wird solch eine Klausel aus Eheverträgen ignoriert. Ohne diese besondere Zuweisung ist der überlebende Partner nur Eigentümer seiner Hälfte des gemeinsamen Vermögens. Steuerlich gesehen muss er die Hälfte des verstorbenen Ehepartners zuerst 'erben'. Auf alles, was der überlebende Ehepartner oberhalb der Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens erhält, muss er also Steuern bezahlen. Das ist wiederum eine erbschaftssteuerliche Fiktion: Die erhaltenen Vermögensgegenstände müssten im Prinzip von Erbschaftssteuern befreit werden, da der überlebende Partner diese Gegenstände bereits aufgrund seines Ehevertrags (eines Vertrags unter lebenden Personen) erhalten hat.

Schenkung weniger als drei Jahre vor dem Tod

Die letzten drei Jahre vor dem Tod werden vom Finanzamt als 'verdächtiger Zeitraum' gesehen. Vermögensgegenstände, die der Verstorbene während dieser Zeit verschenkt hat, gehören trotzdem zum Nachlass. Es ist kein Gegenbeweis möglich. Die Erben können zwar nachweisen, wer der Bedachte dieser Schenkung war. Dieser wird dadurch als besonderer Legatar betrachtet. Wenn der Begünstigte zum Zeitpunkt der Schenkungen bereits Eintragungsgebühren bezahlt hat, sind diese bereits besteuert. Es werden dann keine Erbschaftssteuern mehr erhoben.

Beispiel
Fred schenkt seiner einzigen Tochter Sophie 25.000 EUR. Dazu lässt er bei einem belgischen Notar eine Urkunde ausfertigen. Sophie bezahlt zu diesem Zeitpunkt Eintragungsgebühren (3 % von 25.000 EUR = 750 EUR). Neun Monate später stirbt Fred unerwartet. Diese 25.000 EUR machen keinen Teil des Nachlasses aus, obwohl die Schenkung während des verdächtigen Zeitraums erfolgte. Es wurden schließlich schon Steuern (Schenkungssteuern) bezahlt, sodass dies kein zweites Mal geschehen muss.

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