Verlust von Grundkapital: Wer gilt als Interessehabender?

Bei einem Verlust des Gesellschaftskapitals muss das Alarmverfahren eingeleitet werden. Wenn das Reinvermögen unter das gesetzliche Mindestkapital gesunken ist, kann jeder Interessehabende vor Gericht die Auflösung der Gesellschaft fordern. Wer kann alles Interesse daran haben, die Gesellschaft auflösen zu lassen? Das Gesellschaftsgesetzbuch definiert den Begriff „Interessehabender“ nicht. Wo das Gesetz schweigt, sprechen die Richter.

Alarmverfahren bei Kapitalverlust

Geschäftsführern und (geschäftsführenden) Vorständen wird vom Gesellschaftsgesetzbuch besondere Verantwortung auferlegt. Wenn das Reinvermögen Ihrer Gesellschaft aufgrund erlittener Verluste auf weniger als die Hälfte oder weniger als ein Viertel des Grundkapitals gesunken sind, muss das Vorstandsgremium Ihrer Gesellschaft innerhalb von zwei Monaten die Generalversammlung einberufen. Diese Hauptversammlung muss über die Auflösung der Gesellschaft und eventuell über andere Maßnahmen auf der Tagesordnung beraten und beschließen. Das Alarmverfahren muss in der Aktiengesellschaft (AG) (Art. 633-634 Gesellschaftsgesetzbuch), Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) (Art. 657 Gesellschaftsgesetz), Privatgesellschaft mit beschränkter Haftung (PGmbH) (Art. 332-333 Gesellschaftsgesetzbuch) und Genossenschaft mit beschränkter Haftung (Gen.mbH) (Art. 431-432 und 666 Gesellschaftsgesetzbuch) angewandt werden.

Wenn das Reinvermögen oder das Gesellschaftskapital bis unter das gesetzliche Mindestkapital (6.200 Euro für die PGmbH, 12.400 Euro für die Ein-Personen-Gesellschaft mit beschränkter Haftung (EPGmbH), 6.200 Euro für die Gen.mbH (festes Kapital) und 61.500 Euro für die AG und KGaA sinken, kann jeder „Interessehabende” vor dem Handelsgericht die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft fordern. Gegebenenfalls kann das Gericht der Gesellschaft eine Frist gewähren, um ihren Zustand in Ordnung zu bringen.

Persönliches, unmittelbares und rechtmäßiges Interesse

Das Gesellschaftsgesetzbuch gibt keine Beschreibung des Begriffes „Interessehabender“. Wichtige Frage: wer verfügt über das erforderliche Interesse, um vor Gericht auf Auflösung der Gesellschaft zu klagen. Ein Kläger hat ein persönliches und unmittelbares Interesse bei der Einreichung einer Klage, wenn er daraus einen materiellen oder moralischen Vorteil ziehen kann. Rechtsmissbrauch ist fehl am Platz. Der Kläger darf die Klage nicht anstrengen, um der Gegenpartei Schaden zuzufügen.

Gläubiger können ein Interesse daran haben, dass die Gesellschaft abgewickelt wird. Aber auch Konkurrenten können ein Interesse daran haben, dass die Gesellschaft verschwindet. Der Berufungsgerichtshof von Brüssel und der Berufungsgerichtshof von Gent erklären am 20. Januar 2009 bzw. am 28. Juni 2010 ausdrücklich, dass ein Konkurrent über das nötige Interesse verfügen kann, um eine Klage auf gerichtliche Auflösung zu erheben. Im Urteil des Berufungsgerichtshofs von Brüssel ging es um Gesellschaften in einem besonders stark auf Konkurrenz ausgerichteten Markt. Es war keine Rede von Rechtsmissbrauch, weil der Konkurrent der anderen Gesellschaft zwei wichtige Verträge weggeschnappt hatte. Die Gesellschaft, welche die Klage anstrengte, spürte folglich die Konsequenzen der Aktionen ihres Konkurrenten unmittelbar. Für den Berufungsgerichtshof von Gent kann der einfache Wunsch einer Gesellschaft, einen Konkurrenten vom Markt zu verdrängen, als Interesse ausreichen.

Wenn Ihr Konkurrent die Regeln in Bezug auf den Verlust des Mindestkapitals nicht einhält, ist die Erhebung einer Klage auf Auflösung Ihres Konkurrenten also vielleicht eine Möglichkeit. Denken Sie aber daran, dass das Gericht Ihrem Konkurrenten eine Frist einräumen kann, um den Zustand in Ordnung zu bringen.

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